Absturz eines Wellington-Bombers in die 

„Rheinische Gummi- und Celluloid-Fabrik“, Mannheim-Neckarau

Vickers Wellington II, W5485 EP-J

104 Squadron Royal Air Force

05./06.08.1941


Wellington Bomber
Wellington Bomber

Nach den Bombardements auf englische Großstädte (London, Coventry, Liverpool, Birmingham, etc.) durch die deutsche Luftwaffe, wobei tausende Menschen ums Leben kamen, entschieden die Engländer schon früh im Krieg, trotz einer drohenden deutschen Invasion, den Krieg vor die deutsche Haustür zu tragen. Zunächst waren nur kleinere Bomberverbände der Engländer über Deutschland im Einsatz, später im Krieg waren hunderte Bomber gleichzeitig im Einsatz. Der Kriegseintritt der USA und die Überführung ihrer Flugzeuge und Ausrüstung auf Flugplätze nach Großbritannien ermöglichten pausenlose Bombardements. Die Alliierten Strategie: Tages-Bombardements durch US-Flugzeuge und nächtliche Bombardements durch (gemischte) Commonwealth-Besatzungen (Flugzeuge und Besatzungen der Royal Air Force, der Royal Canadian Air Force, der Royal Australian Air Force und der Royal New Zealand Air Force). Durch die Zerstörung der Industrie und der Moral der Bevölkerung sollte Deutschland in die Knie gezwungen werden.


Quelle: https://www.rhein-neckar-industriekultur.de/
Quelle: https://www.rhein-neckar-industriekultur.de/

In der Nacht von 05. auf 06.08.1941, wurde über Mannheim-Neckarau ein englischer Bomber durch die Flak abgeschossen. Das Flugzeug stürzte mit voller Bombenlast in die „Rheinische Gummi- und Celluloid-Fabrik“. Die gesamte Besatzung des Flugzeugs kam beim Absturz  ums Leben. Von der Besatzung wurde nach dem Einschlag kaum etwas gefunden. Ob die Familien dieser sechsköpfigen Besatzung wissen, wo sich das alles genau zugetragen hat und was damals genau passiert ist? Vermutlich nicht. Der mittlerweile leider verstorbene Zeitzeuge, Herr Hubert Güthlein aus Neckarau, hat der IG Heimatforschung einige, von diesem Absturz stammende, Flugzeugteile überlassen. Genügend Gründe also, diesem Absturz weiter auf den Grund zu gehen.


Nachforschungen ergaben, dass es sich hier um ein Flugzeug vom Typ Vickers Wellington II, mit der Kennung W5485 EP-J, von der 104. Staffel der Royal Air Force, gehandelt hat. Sie war am 05.08.1941 abends von der RAF-Basis Driffield in Yorkshire, Großbritannien, aufgestiegen. Insgesamt waren von verschiedenen Basen und Staffeln der Royal Air Force 97 Flugzeuge verschiedener Typen im Bereich Mannheim, Frankfurt und Karlsruhe im Einsatz. Insgesamt sollten drei Flugzeugbesatzungen diesen Einsatz nicht überleben. Das Ziel von Wellington W5485 EP-J: Die Bahnanlagen bei Karlsruhe. Aber soweit sollte es nicht kommen. Wellington W5485 EP-J hatte eine Besatzung von sechs Mann. Fünf davon waren Engländer. Ein Besatzungsmitglied, der Co-Pilot Sergeant Warren Steen Denby, war Australier. Pilot der Maschine war Pilot Officer Benedict Warren Melvill Jones. Observer war Pilot Officer Harry Brant. Flight-Sergeant Raymond John David war Funker/Schütze. Sergeant Granville Fallows Lister war MG-Schütze, und Flight-Sergeant Richard Neilson Barcraft war ebenfalls Funker. 

 



Beim Flug über Mannheim-Neckarau in Richtung des Ziels wurde das Flugzeug durch Flak in beiden Tragflächen getroffen, die daraufhin abbrachen. Das Flugzeug, nun ohne die beiden Flügel (eine Tragfläche ging im Werk nieder), stürzte auf die  Betondecke von Bau 160 der Celluloid-Abteilung und explodierte. Dieser Bau wurde damals als Lagerraum benutzt. Die Betondecke wurde durchschlagen und im Umkreis von ca. 250 Metern richtete die Detonation große Schäden an. Außerdem hinterließ die Explosion einen ca. 12 Meter breiten und ca. 3,5 Meter tiefen Krater. An sechs weiteren Stellen/Bauten gab es separate Brandstellen, vermutlich durch weggeschleudertes Phosphor. Die Werkfeuerwehr hatte alle Hände voll zu tun..


Absturzstelle Bau 160, „Rheinische Gummi- und Celluloid-Fabrik“, Mannheim-Neckarau, 06.08.1941
Absturzstelle Bau 160, „Rheinische Gummi- und Celluloid-Fabrik“, Mannheim-Neckarau, 06.08.1941

Lt. Aussage von Paul Wahl, dem damaligen Löschmeister:

„Es war eine klare Sommernacht. Um 00:19 Uhr wurde Fliegeralarm ausgelöst. Bald darauf kreuzten vereinzelt feindliche Flugzeuge über Mannheim. Zu der Zeit fanden noch keine Masseneinflüge feindlicher Bombengeschwader über Mannheim statt, wie es in den nachfolgenden Kriegsjahren der Fall war. Dafür veranstalteten die zahlreich um Mannheim aufgestellten Flak ein lebhaftes Feuerwerk. Ab und zu suchten die Scheinwerfer den Nachthimmel ab und verursachten eine silbrige Helle auf der Erde, die allerdings nur kurz andauerte. So war die Situation, als ich mich um 01.15 Uhr auf einen Kontrollgang begab. Dabei sah ich in Richtung Waldhof hoch am Himmel ein brennendes Flugzeug mit Kurs auf Neckarau. Bei Bau 124 verlor ich das Flugzeug aus den Augen. Ich setzte meinen Weg fort, und als ich zwischen Bau 134 und Bau 139 an den Trockenapparaten vorbei in Richtung Bau 160 weiterging, erfolgte ein Brausen vom Himmel und gleichzeitig ein gewaltiger Donnerschlag, der mir für einige Sekunden die Besinnung nahm. Als ich wieder zu mir kam und die Augen öffnete, lag ich am Boden und sah einen hellen Feuerschein. Gleichzeitig fielen schwere Eisen- und Steinteile um mich herum auf die Erde. Noch war mir nicht bewusst, dass das anfangs erwähnte brennende Flugzeug, das mit seiner Bombenlast ca. 50 Meter von mir entfernt in den Bau 160 fiel, die Ursache dieses Chaos war. In meinem Kopf dröhnte immer noch die Detonation nach. Und jetzt erst wurden mir die Zusammenhänge der Katastrophe klar. Rings um die Absturzstelle und an den angrenzenden Bauten war die gesamte Wehr bereits in voller Tätigkeit. Noch war Glück bei diesem Unglück, denn in nächster Nähe der Absturzstelle befand sich ein unterirdischer Sprittank sowie ein Nitratlager, die beide den Einschlag überstanden.Von der Flugzeugbesatzung fand man nur ganz vereinzelt kleine Teile, die nicht einmal Aufschluss über die Anzahl der Besatzungsmitglieder zuließen. Die Löscharbeiten dauerten bis zum Morgengrauen“.



Nach dem Krieg wurde die „Rheinische Gummi- und Celluloid-Fabrik“ mehrmals umbenannt, zuletzt in Schildkröt AG, und die Arbeit im Werk wurde in 1975 endgültig eingestellt. Wenig erinnert noch an das ehemalige Werk, auf dessen Gelände sich heute ein Industriepark befindet. Die über 200 Gebäude des ehemaligen Werks, wo in besten Zeiten über 6000 Arbeiter ihren Dienst verrichteten, wurden in den 1990er Jahren, bis auf wenige Einzelgebäude und den bis heute existierenden markanten Wasserturm, vollständig abgerissen. Mittlerweile ist alles größtenteils überbaut. Auch die ehemalige Absturzstelle des Wellington-Bombers wurde größtenteils  überbaut, allerdings befindet sich direkt nebenan noch eine größere freie Fläche.



Anhand alter Werkskarten und Fotos wurde rekonstruiert, wo der Bau 160, auf den das Flugzeug damals gestürzt war, gestanden haben muss. Da die Elektrizitätszentrale, in der Nähe der Absturzstelle, der Wasserturm, und einige wenige andere Gebäuden heute noch existieren, konnte die Stelle relativ schnell lokalisiert werden. 



Nun werden wir versuchen, die Familien der Besatzung zu kontaktieren. Diese haben erfahrungsgemäß immer ein sehr großes Interesse an allen Details, ihre Familienmitglieder betreffend. Die Stelle wird den Familien sicherlich nicht bekannt sein. Wir werden sie informieren, wo die Absturzstelle genau ist bzw. war, und die Flugzeugteile, die Herr Güthlein aus Neckarau damals am Absturzort gefunden hat, den Familien überreichen. Außerdem ist angedacht, ein Gedenkstein oder eine Gedenktafel für die Opfer am Absturzort zu realisieren.


Die Absturzstelle heute