Zusammenarbeit zwischen der IG Heimatforschung Rheinland-Pfalz

und amerikanischen Wissenschaftlern von "History Flight"

bei einer Grabung im Odenwald auf der Suche nach drei vermissten Besatzungsmitgliedern

eines amerikanischen Bombers



Mitte April 2019 wurde ich von History Flight kontaktiert, einer äußerst professionellen, privaten amerikanischen Organisation, die im Auftrag des amerikanischen Verteidigungsministeriums weltweit vermisste amerikanische Soldaten auf Schlachtfeldern vergangener Kriege sucht.

 

Jörg Dietsche, ein ehemaliger Kampfjet-Pilot der Deutschen Luftwaffe, heute deutsche Kontaktperson und Dolmetscher von History Flight, nahm den ersten Kontakt auf. Er bat die IG Heimatforschung Rheinland-Pfalz um Unterstützung bei der Suche nach drei amerikanischen Besatzungsmitgliedern die seit dem 2. Weltkrieg in Baden-Württemberg, im Odenwald, vermisst werden. Jörg Dietsche war durch Mundpropaganda und im Internet auf uns aufmerksam geworden. History Flight besteht aus Archaeologen, Forensikern und Geophysikern, und sie verfügen neben Leichenspürhunden über alle notwendigen Labors und Werkzeuge, um in kriminalistischer Kleinstarbeit auch das kleinste Knochenstück finden, identifizieren und zum Ziel kommen zu können: Ihre vermissten Soldaten nach Hause bringen!  


Da die IG Heimatforschung Rheinland-Pfalz normalerweise nur linksrheinisch in Rheinland-Pfalz, in enger Zusammenarbeit mit der Generaldirektion Kulturelles Erbe Außenstelle Speyer (GDKE), tätig ist, und auch normalerweise keine Genehmigungen für Baden-Württemberg inne hat, musste deshalb zuerst die GDKE in Speyer, für die die IG Heimatforschung ehrenamtlich tätig ist, konsultiert werden. Nachdem die Dienststellenleitung der GDKE Speyer Kontakt zu den Denkmalbehörden in Baden-Württemberg aufgenommen hatte, und einer Zusammenarbeit nichts im Wege stand, konnten wir der Zusammenarbeit mit History Flight zusagen. Was zunächst als dreiwöchiges Projekt geplant war, sollte sich auf über sechs Wochen ausdehnen. Für alle Beteiligten, sowohl für die amerikanischen Wissenschaftler als auch für die ehrenamtlichen Sondengänger der IG-Heimatforschung Rheinland-Pfalz, war dies eine sehr konstruktive und lehrreiche, aber vor allem auch sehr freundschaftliche und kameradschaftliche Zusammenarbeit.



Hintergründe zu dem Absturz und den vermissten Personen: Am 30. Dezember 1944 nahmen früh morgens, als Teil eines kombinierten Angriffs auf verschiedene Ziele in Deutschland, 1315 Bomber und 572 Begleitjäger der US-Air-Force von Südengland aus, davon 181 Flugzeuge vom Typ B-17 mit jeweils 9 und 10 Mann Besatzung, nach einem Ablenkungsflug endgültig Kurs auf Mannheim. Gegen 13 Uhr berührten sich bei dem letzten komplizierten Wendemanöver kurz vor dem letzten Anflug auf die Quadratestadt in ca. 8000 Metern Höhe über dem Odenwald zwei Maschinen. Beide Flugzeuge stürzten nach diesem Zusammenstoß ab. Das erste Flugzeug schlug in einem Waldgebiet bei Stürzenhardt auf. Dort gab es keine Überlebenden.

 

Das andere Flugzeug, die „Fuddy Duddy“ (Taufname des Flugzeuges,  was soviel heißt wie „Kleiner Stinker“) trudelte herunter und stürzte schließlich im Waldgebiet Bulau bei Unterneudorf/Buchen ab. Zwei Mann konnten noch mit dem Fallschirm abspringen, nachdem die Tragfläche der „Fuddy Duddy“ durch den anderen Bomber buchstäblich zerhackt worden war. Ein Überlebender des Absturzes wurde 53 Tage lang im Krankenhaus in Buchen behandelt. Ein weiterer wurde bei Michelstadt gefangen genommen. Drei Besatzungsmitglieder werden bis heute vermisst. Die anderen wurden an der Absturzstelle und im umliegenden Bereich tot aufgefunden. Das Ziel des Projektes war es also, die drei Vermissten der „Fuddy Duddy“ zu finden (Wylie W. Leverett, Robert J. Mihovich und James Tiffany).


              Zeitzeugen erklären was sich damals zugetragen hat                                      "Ziva", Leichenspürhund von History Flight


In der Vergangenheit war dort bereits durch örtliche Heimatforscher wie z.B. Siegfried Reißing, ehem. Grabungstechniker der Denkmalbehörde Baden Württemberg, ausgiebig geforscht worden, und es wurde damals im Oberflächenbereich bereits sehr viel vom Flugzeug geborgen. Zeitzeugen hatten ebenfalls wichtige Hinweise zum Absturz gegeben.

 

Die IG Heimatforschung samt Unterstützung war an unterschiedlichen Tagen mit unterschiedlicher Besatzung vor Ort tätig. Im Einsatz waren Heiko Zech, Adrian Bügel, Benjamin Krug, Bernd Bohne, Peter Berkel, Sascha Hornbach, Michael Wenzel und ich selbst. Alle sind ehrenamtliche Sondengänger/Heimatforscher der GDKE in Speyer.

Im Vorfeld, bevor wir vor Ort eintrafen, waren bereits erste Voruntersuchungen erfolgt, wobei auch ein Bodenradar und ein Leichenspürhund im Einsatz waren. Der bei dem Absturz entstandene "Krater" war gut sichtbar, bereits komplett vermessen, abgesteckt und markiert. Die Arbeit im Boden konnte losgehen.  

 

Um auch das kleinste Knochenfragment, Zähne etc. im Aushub finden zu können, war eine große Siebanlage aufgebaut. Alles, von der Blätterdecke an, sollte gesiebt werden. Und der Krater samt dem Radius um den Krater herum sollte komplett mit Metalldetektoren abgesucht werden.




Zunächst wurde die Blätterdecke in dem Krater komplett gerecht und gesiebt. Die Blätterdecke enthielt bereits viele kleine Flugzeugteile. Danach ging es langsam, Schicht für Schicht, in den Boden hinein. Wir hatten uns in kleine Gruppen aufgeteilt die sich gegenseitig abwechselten: Ein Teil des Teams grub langsam einen Abschnitt nach dem anderen in den Boden hinein, ein anderer Teil des Teams brachte den Aushub zu den Leuten an der Siebanlage, und eine dritte Gruppe siebte den Aushub.    

 

Als die Arbeit in dem Krater fortschritt wurde klar, die Explosion hatte erwartungsgemäß einiges in den Boden und in die Seiten des Kraters hineingedrückt, und bei dem Absturz war auch ein Teil der Bombenlast explodiert. Überall im Krater befanden sich große Bombensplitter. 

 

Der Krater selbst wurde bis zu ungestörtem Boden komplett ausgegraben. Knochen wurden dort bzw. im Aushub des Kraters keine gefunden. Die Explosion bzw. der Luftdruck hatte das Flugzeug samt Insassen in alle Richtungen verstreut. Nun galt es, Schwerpunkte zu finden: Persönliche Sachen, Cockpitteile. Laut Zeitzeugen war der Krater damals direkt nach dem Crash nicht zu sehen, da dieser und das ganze Gebiet drum herum voll lag mit Flugzeugteilen.





Als daraufhin die Ausdehnung des Trümmerfeldes um den Krater herum in alle Richtungen durch uns sondiert wurde, konnte nach einer gewissen Zeit der komplette Trümmerradius in alle Richtungen erfasst und wichtige Erkenntnisse gesichert werden (Flugrichtung, etc.). Mehrere hundert Meter vom Absturzkrater entfernt wurden noch Flugzeugteile gefunden. Am weitesten weg lagen Teile des Ball-Turret (Kugelturm, am Bauch des Flugzeuges). Hier hatte das Flugzeug wohl zum ersten Mal Baumkontakt, bevor es danach durch die Bäumen krachte und eine lange Spur von Flugzeugteilen hinterließ, bis es explodierte.    

 

Zwei der vermissten Personen hatten sich damals im Cockpit befunden. Cockpitteile wurden im Bereich des Absturzkraters/Bombenkraters keine gefunden. Ein größeres Cockpitteil war bereits in der Vergangenheit durch Siegfried Reißing an der Oberfläche gefunden worden, weiter weg vom Krater. Als dann in der gleichen Richtung in einigem Abstand die ersten Cockpitteile mit Metalldetektoren gefunden wurden, war klar, die Personen des Cockpits bzw. ihre Leichen(teile) könnten hier überall gelegen haben, weggeschleudert vom Luftdruck der Explosion. Wilde Tiere tun oft ihr übriges. Aber wir hatten schon eine Richtung. Den ersten Baumkontakt wenige hundert Meter weg von Krater, die Trümmerlinie zum Krater, den Krater selbst: Wir konnten bereits eine Linie ziehen. 




Die methodische Prospektierung mittels abgesteckten Flächen/Bahnen, die eine nach der anderen mit Detektoren abgesucht wurden, trug letztendlich Früchte. Jedes Fundstück und Fundkonzentrationen wurden mit Fähnchen markiert und glichen stellenweise einem Fähnchenmeer. Alle Fähnchen wurden am Ende des Tages, bei sehr besonderen Funden sofort, durch David "Dave" Rankin, dem leitenden Archaeologen und Forensiker von History Flight, begutachtet und vermessen. Anhand dessen wurde die weitere Strategie und der Schwerpunkt/Richtung der Grabung bestimmt.  






Nach und nach kristalisierte sich durch die Kleinfunde die mit dem Metalldetektor gefunden wurden, ein Gebiet heraus, in dem die meisten persönlichen Sachen der Besatzung, Fallschirmteile und Teile des Cockpits, gefunden wurden. Da die Untersuchung im Inneren des Kraters nun beendet war und keine Knochen zu Tage getreten waren, wurden die nebenliegenden Flächen abgesteckt, mit Detektoren abgesucht und gesiebt.

 

In einem Bereich wurden überdurchschnittlich viele persönliche (Metall-)Gegenstände gefunden. Diese lagen deutlich weiter weg vom Krater entfernt. Die Richtung wurde immer klarer und es dauerte nicht mehr lange, bis sich entlang der imaginären Linie, weg vom Krater in Richtung der gefundenen persönlichen Gegenstände und Cockpitteile, im Sieb die ersten menschlichen Überreste/ Knochenreste zeigten. Diese wurden sofort gesichert und werden derzeit in den USA im Labor auf DNA untersucht.


Die Verlängerung des Projektes von anfänglich drei auf sechs Wochen hatte sich gelohnt. Allerdings, die Zeit wurde immer knapper. Da History Flight in einem Zeitraum von wenigen Monaten sechs Absturzstellen in Deutschland und Belgien untersuchen musste, wird die Arbeit an dieser Stelle, wegen dem Fund der menschlichen Knochen, zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt.

 

Die Arbeit mit den amerikanischen Behörden erwies sich als äußerst lehrreich und konstruktiv für ausnahmslos alle Beteiligten. Wir konnten sehr viel von den Wissenschaftlern über Grabungstechniken und alles was dazu gehört lernen, ihre Techniken anwenden und uns in diesen sechs Wochen aktiv daran beteiligen. Und das Team in allen Aspekten unterstützen. 






Unsere Erfahrung beim Absuchen von Absturzstellen und sonstigen Flächen mit Metalldetektoren, die Suche von sekundären Trümmerfeldern, die Bestimmung von Fundstücken, Analysen, Interpretationen, der gemeinsame Austausch, aber vor allem das „Herz“ für die Sache waren eine wertvolle Komponente, die konstruktiv zum  Gesamterfolg beitragen konnte, und wurde sehr geschätzt. Die menschliche Komponente, im Wald, und abends im Hotel, bis tief in die Nacht fachsimpeln über alles Mögliche reden, auch über alte gemeinsame Zeiten beim Militär, tat ihr übriges. History Flight hat ein tolles Team und beim nächsten Mal sind wir natürlich gerne wieder dabei.




History Flight ist derzeit auf Tarawa tätig. Eine Insel im Pazific. Dort sind viele amerikanische Marines im Kampf gegen die japanische Armee getötet worden. History Flight hat gerade über dreißig vermisste Soldaten aus dieser Schlacht, die bis dato verschollen waren, wieder nach Hause gebracht. Unter dem Motto: We will bring them all home! Wie die amerikanischen Behörden das angehen ist einmalig. Wenn man für sein Land im Kampf wo auch immer auf der Welt fällt, wird man gesucht und heimgeholt. Egal wo.

                                                                                                                                                                                                          Erik Wieman